Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde des Essener Sport hier im Saal und daheim im Stream,

wir werden heute mit einer ehrlichen Enthaltung zu dieser Vorlage votieren. Eine Enthaltung deshalb, weil wir einerseits die Idee und Intention, die hinter dieser Vorlage steht, liebe Frau Raskob, wertschätzen möchten, aber dieses Gutachten zum jetzigen Zeitpunkt nicht für nötig halten. In einigen Jahren wäre dieses vielleicht ebenso sinnvoll wie hilfreich. Aber eben nicht heute. Ich möchte das gerne im Folgenden ein wenig erläutern:

Am heimischen Schreibtisch habe ich den „das erledige ich später Stapel“, der irgendwie nie richtig kleiner wird. Ich habe erst seit knapp einem Jahr die Ehre, den Sport in dieser Stadt auf Ratsebene mitzubegleiten und mitzugestalten. Und schon in der kurzen Zeit ist mir aufgefallen, dass wir diesen Stapel auch in der Sportpolitik haben. Und es ist meine feste Überzeugung wie auch die meiner Fraktion, dass wir diesen Stapel erst einmal abarbeiten müssen, bevor wir ihn mit einer neuen Expertise weiter füllen. Deshalb: Machen wir doch einfach mal, anstatt wieder auf ein Gutachten zu warten.

Und eigentlich haben wir doch schon genug Erkenntnisgewinn, mit dem wir im Schulterschluss mit den Kolleginnen und Kollegen der Sportverwaltung loslegen können und genug für die nächsten Jahre zu tun haben.

Wir brauchen doch kein Gutachten, um die Notwendigkeit von Kooperationen von Schule und Sportvereinen zu erkennen. Das ergibt sich schon daraus, dass wir jede Fläche nur einmal bebauen können. Und deshalb müssen zur Eindämmung unseres Flächenverbrauchs und damit auch zum Erhalt unserer Grünflächen darüber nachdenken, wie wir auch im Sport Flächen mehrfach nutzen können. Mit verschiedenen Akteuren. TUS Holsterhausen hat uns dazu ein tolles Konzept vorgestellt. Und sie stehen parat und sind voller Tatendrang, diesen Schritt in die Zukunft gemeinsam mit uns zu gehen. Machen wir doch daraus ein Pilotprojekt für das ganze Stadtgebiet.

Erst gestern in der Sitzung des Sportausschusses haben wir die Erweiterung des  Parkplatzangebotes an der Sportanlage der SG Schönebeck positiv begleitet. Aber wir wissen doch, an welchen Stellen genau das Problem auch besteht. Kümmern wir uns doch zum Beispiel jetzt sofort darum, dass beim Vogelheimer SV die Brachfläche vor dem Tor zu Parkplätzen umgebaut wird. Oder noch besser: Schaffen wir ein Angebot an Fahrradwegen und ÖPNV, damit man gar nicht mehr mit dem Auto zum Sport fahren muss.

Reden wir einmal über die Umkleidegebäude. Oder vielleicht besser nicht. Denn diese sind in großen Teilen kein Aushängeschild für unsere Stadt. Und erst recht kein Zeichen der Wertschätzung in Richtung der Vereine. Der Instandhaltungsstau ist doch hier immens. Und wir wissen doch auch jetzt schon wo und wieviel. Das hat unsere Fachverwaltung bereits sauber im Detail erhoben.

Sorgen wir doch lieber heute dafür, dass zum Beispiel SuS Haarzopf endlich die Umkleiden bekommt, in der man die eigenen Spieler und auch die Gastteams mit gutem Gewissen unterbringen kann.

Um das einmal in Zahlen zu fassen: Ende 2019 wurde ein Bedarf von 294 Millionen 500tausend Euro bei Turn-, Sport- und Gymnastikhallen beziffert. Bei Sportplätzen und Anlagen von 33 Millionen 400tausend Euro. Und da sind die ganzen guten und zukunftsgerichteten Ideen der Vereine, die uns bei den Besuchen vor Ort präsentiert werden, noch gar nicht eingerechnet. Bei Sondersportanlagen kommen noch einmal 5 Millionen 400tausend Euro dazu. Alle Gelder hinterlegt mit konkreten Maßnahmen, die wir nur anpacken brauchen.

Wir brauchten doch in jüngster Vergangenheit auch keine Sportentwicklungsplanung, um ETB und RWE eine Perspektive zu bieten. Das haben wir im Gespräch mit den Vereinen geschafft, die bereits eine tolle Vorarbeit geleistet haben. Nutzen wir doch die Fachexpertise in unseren Vereinen vermehrt.

Und es gibt immer noch Vereine, die auf ihren Kunstrasen warten. Die Vereine sind bekannt. Und nun müssen wir auch langsam den Austausch der bereits in die Jahre gekommenen Kunstrasen ins Auge fassen. Jahr für Jahr. Wo und wann ist bekannt.

Richten wir auch einen Blick auf die Bäder unserer Stadt: Bei der Bevölkerungsbefragung 2019 haben uns 40% der befragten Essenerinnen und Essener gesagt, dass sie mit unseren Bädern unzufrieden sind. Bei 30% war die Antwort teils/teils. Also 70%, die nicht zufrieden mit unserer Bäderinfrastruktur sind. Ebenfalls 2019 haben wir allein den Sanierungsrückstand bei unseren Bädern mit 88Millionen 440tausend Euro beziffert bekommen. Auch hier jeder Euro mit konkreten Maßnahmen hinterlegt.

Generell ist Bevölkerungsbefragung 2019 im Sportbereich auf 535 Seiten ein purer Quell der Erkenntnis voller wertvoller Informationen. Aus diesen können wir direkte Maßnahmen ableiten, für den vereinsgebundenen wie auch den vereinsungebundenen Sport. Insbesondere können wir Maßnahmen ableiten, um unsere Vereine darin zu unterstützen, zukunftsfest und auf der Höhe der Zeit zu sein. Damit sich eben wieder mehr Menschen entscheiden, Sport im Verein zu machen. Dazu müssen die Vereine ihre Angebote teils umstellen und erweitern. Auch dabei brauchen sie unsere Hilfe. Aber fragen wir doch lieber die Verantwortlichen dort, wo genau Hilfestellung gebraucht wird und nicht einen Gutachter.

Herr Rohrberg hat schon 2019 betont, dass die Sanierung der Sport- und Bäderinfrastruktur eine Aufgabe mindestens für die nächsten 15 Jahre ist. Knappe Kassen, ausgelastete Firmen, steigende Rohstoffpreise und knappe Verfügbarkeit der Baustoffe wird diese Prognose mit Sicherheit noch ein wenig nach oben treiben.

Lassen Sie jetzt nicht die Zeit mit einem weiteren Gutachten ins Land gehen, für dessen Umsetzung am Ende des Tages das Geld fehlen wird, weil wir gerade schon einen dreistelligen Millionenbetrag vor uns herschieben. Lassen Sie uns die offenen Projekte untereinander schreiben. Unterfüttern wir diese Punkte noch mit den Erfahrungen vor Ort. Bringen wir diese in eine sinnvolle Reihenfolge, um auch den Vereinen endlich Planungssicherheit zu geben. Und insbesondere: Gehen wir es sofort an!

Sollte diese Vorlage heute trotzdem beschlossen werden, dann bedeutet unsere Enthaltung auch, dass wir uns dem weiteren Verfahren nicht entziehen werden, sondern natürlich konstruktiv mitarbeiten und vor allem mitgestalten werden. Ich glaube, auch das ist Ausdruck des guten Miteinanders, das wir im Sportausschuss pflegen und für das ich mich an dieser Stelle auch einmal ganz ausdrücklich bedanken möchte.

In diesem Sinne noch ein paar kurze Sätze – und ich hoffe, diese Ausführungen einen uns als Sportpolitiker dieser Stadt:

Nirgendwo erreicht man mit jedem Euro so viele Essenerinnen und Essener wie in unseren Sportvereinen. Und auch nirgends sonst bekommen wir jeden Euro so mannigfach zurück wie im Sport. Denn Sport ist Sozialarbeit, Gesundheitsprävention, Begegnungsort, friedlicher Wettkampf, eine zweite Familie und vieles mehr. Im Sport lernen gerade unsere Jüngsten schon früh Fair Play, das Miteinander im Team, sich auf andere zu verlassen, Engagement und Verantwortung für unsere Gesellschaft und die Bedeutung von Bewegung für ein gesundes und aktives Leben. Personal wird in den Vereinen nicht gebraucht, das erledigen die tausenden Ehrenamtlichen mit viel Herzblut ohne die Hand aufzuhalten. Was wir noch tun müssen? Lediglich dafür sorgen, dass die Sportanlagen in einem ordentlichen Zustand sind, der die Wertschätzung gegenüber den Vereinen und den dort Aktiven ausdrückt. Aber: Mit warmen Worten allein verbessert man keine der Sportanlagen, Sporthallen oder Schwimmbäder auf unserem Stadtgebiet. Wir müssen also über Geld reden. Und da sind vielleicht die aktuellen Etatberatungen der richtige Zeitpunkt für.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Kategorien: RedeSport

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